„Mini-Blitzschläge“ zwischen Wassertropfen könnten Leben auf der Erde entfacht haben – so könnte es passiert sein


Blitze zucken zwischen runden Objekten auf schwarzem Hintergrund.


Wenn Wassertropfen sich bewegen – wie beispielsweise in vom Wind verwehtem Meerschaum – neigen diese Tropfen dazu, unterschiedliche elektrische Ladungen zu entwickeln. (Bildnachweis: Panachoi/Getty Images)

Die Grundbausteine des Lebens auf der Erde könnten durch winzige Funken entstanden sein, die zwischen Wassertropfen übersprangen.

Vor vier Milliarden Jahren war die Erde eine lebensfeindliche, aber dynamische Welt. Tosende Wellen, reißende Ströme und donnernde Wasserfälle schleuderten Gischt in eine Atmosphäre, die reich an Kohlendioxid, Stickstoff, Methan und Ammoniak war. Neuere Experimente deuten darauf hin, dass diese Wassertröpfchen chemische Reaktionen ausgelöst haben könnten – und damit den Grundstein für die Bausteine des Lebens legten.

Laut dem Chemiker Richard Zare von der Stanford University und seinen Kollegen könnten winzige elektrische Ladungen in Wassertropfen ausgereicht haben, um diese chemischen Reaktionen anzutreiben. Die Ladungen entluden sich in kleinen Stromstößen. Diese Erkenntnis gibt einer alten und kontrovers diskutierten Theorie über den Ursprung des Lebens auf der Erde eine neue Wendung.

Forscher versuchen immer noch herauszufinden, wie genau das Leben vor 4 bis 3,5 Milliarden Jahren den Übergang von Chemie zu Biologie vollzog – und wo überhaupt die Grenze zwischen beiden zu ziehen ist. Ein zentrales Rätsel dabei ist die Herkunft der komplexen chemischen Verbindungen, aus denen lebende Zellen bestehen. Dazu gehören etwa die Lipide in unseren Zellmembranen, die Nucleotide unserer genetischen Information, die Aminosäuren als Bausteine zellulärer Strukturen sowie andere Moleküle mit Kohlenstoff-Stickstoff-Bindungen.

Die meisten verfügbaren Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die junge Erde nur geringe Mengen dieser komplexen Moleküle besaß – wenn überhaupt. Doch die Grundbausteine waren vorhanden: Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Phosphor in verschiedenen Kombinationen, die nur darauf warteten, sich in der richtigen Weise zu verbinden.

Doch für den Aufbau neuer Moleküle wird Energie benötigt. Laut Zare und seinen Kollegen könnte diese Energie von sogenannten „Mikroblitzen“ stammen – winzigen elektrischen Entladungen, die zwischen Wassertropfen in den bewegten Wasserfontänen der frühen Erde auftraten.

In jüngsten Experimenten beobachteten die Chemiker, dass Wassertropfen beim Bewegen – etwa in windverwehtem Meerschaum – unterschiedliche elektrische Ladungen entwickeln. Dieser Vorgang ähnelt der Entstehung von Blitzen in Wolken, nur im Miniaturformat. Es kommt zur Ladungstrennung, bis schließlich Elektronen in einem winzigen Blitz von negativ geladenen zu positiv geladenen Tropfen überspringen.

„Wasser erscheint uns normalerweise so harmlos, doch wenn es in Form winziger Tröpfchen vorliegt, wird es äußerst reaktiv“, erklärte Zare in einer Stellungnahme. Sein Labor untersucht chemische Reaktionen in und zwischen mikroskopisch kleinen Wassertropfen. Diese von Zare und seinen Kollegen als „Mikroblitze“ bezeichneten Phänomene sind für das bloße Auge zu klein und zu schnell – doch mit einer Hochgeschwindigkeitskamera gelang es den Forschern, sie aufzuzeichnen.

Zare und seine Kollegen sprühten Wasserdampf in eine Kammer, die mit einer Gasmixtur gefüllt war. Diese Mischung sollte die Atmosphäre der frühen Erde vor etwa 2 Milliarden Jahren nachbilden – ein giftiges Gemisch aus Ammoniak, Methan, Wasserstoff und Stickstoff. Durch winzige Blitze von Mikrogewittern im Wasserdampf setzte eine Reihe chemischer Reaktionen ein. Dabei entstanden einige hochkomplexe Moleküle: die Aminosäure Glycin, die Nukleotidbase Uracil sowie weitere Verbindungen.

Die Ergebnisse dieses aktuellen Experiments zeigen verblüffende Ähnlichkeiten (im wahrsten Sinne des Wortes) mit einem Versuch aus dem Jahr 1952. Damals hatten die Chicagoer Chemiker Stanley Miller und Harold Urey eine Mischung aus Wasserdampf, Methan, Ammoniak und Wasserstoffgas elektrischen Funken ausgesetzt – mit der überraschenden Entstehung von Aminosäuren als Resultat.

Miller und Urey entwickelten daraus die Theorie, dass das Leben vor etwa 4 Milliarden Jahren durch Blitzeinschläge in den urzeitlichen Ozeanen seinen Anfang genommen haben könnte.

Doch ihre Hypothese stieß auf massive Kritik. Der Hauptgrund: Blitze treten einfach zu selten auf, um in einem so riesigen und weitläufigen Gebiet wie dem Ozean ausreichend chemische Reaktionen auszulösen.

Falls die Initialzündung durch Mikroblitze in Wasserfontänen erfolgte und nicht durch großflächige Blitze über Gewässern, könnte dies laut Zare und seinem Team das Problem lösen – und der alten Hypothese neues Leben einhauchen.

„Auf der frühen Erde gab es überall Wasserspritzer – in Spalten oder gegen Felsen“, erklärte Zare kürzlich in einer Pressemitteilung. „Diese konnten sich ansammeln und so chemische Reaktionen auslösen.“ Er fügte hinzu: „Damit werden meiner Ansicht nach viele Probleme umgangen, die man mit der Miller-Urey-Hypothese verbindet.“

Zare und seine Kollegen veröffentlichten ihre Studie im Fachjournal Science Advances.


Kiona N. Smith

Kiona Smith ist eine Wissenschaftsautorin mit Sitz im Mittleren Westen, wo sie über den Weltraum und Archäologie schreibt. Sie hat für Inverse, Ars Technica und Forbes geschrieben und ist Autorin des Buches Peeing and Pooping in Space: A 100% Factual Illustrated History. Sie besuchten die Texas A&M University und haben einen Abschluss in Anthropologie.

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