Promotionskunst für Netflixs „The Electric State“. (Bildnachweis: Netflix)
Die Russo Brothers, die erfolgreichen MCU-Meister und ihre hochbudgetierte Sci-Fi-Produktion „The Electric State“, ernten derzeit viel harsche Kritik von Fans und Experten. Ein Teil davon mag berechtigt sein, ein anderer Teil scheint jedoch in einem komplexen Wirrwarr aus giftigen Meinungen unfair zu sein. Ach, so ist der Zustand des modernen Hollywoods heutzutage – es scheint immer fehlgeleitete Wut zu geben, die sich gegen die beliebtesten Unterhaltungsproduktionen richtet.
Egal, wie man zu Netflixs 320-Millionen-Dollar-Adaption des visionären schwedischen Künstlers und Autors Simon Stålenhags illustriertem Roman aus dem Jahr 2018 steht – einer Geschichte über ein kriegsgebeuteltes Amerika in einem alternativen 1990er-Jahrzehnt, in dem Roboter und Automaten aller Art für die Freiheit der Erde revoltiert haben – die beeindruckenden visuellen Effekte von Industrial Light & Magic machen den Film zu einem einzigartig fesselnden Erlebnis.
Sicherlich gibt es deutliche Anspielungen auf Steven Spielbergs „A.I. – Künstliche Intelligenz“ aus dem Jahr 2001 und „Ready Player One“ von 2018. Doch wir wollen unseren Blick auf einen anderen Filmvergleich richten, der uns näher zu liegen scheint. Wie wäre es, die subtilen Verbindungen des ungeliebten Projekts zu L. Frank Baums Kinderbuchklassiker „Der Zauberer von Oz“ aus dem Jahr 1897 und Victor Flemings zeitlosem Technicolor-Film von 1939 mit Judy Garland, „Der Zauberer von Oz“, zu betrachten?
Promotionskunst für Netflixs „The Electric State“. (Bildnachweis: Netflix)
Achtung: Mögliche Spoiler im Folgenden!
Damals war „Der Zauberer von Oz“ der teuerste Film, den das legendäre Hollywood-Studio MGM je produziert hatte, mit einem Budget von 2,8 Millionen Dollar. Dies erinnert uns an die enttäuschende Sci-Fi-Saga von Netflix, deren Produktionskosten von fast einer Drittel Milliarde Dollar in fast jeder Schlagzeile im Internet erwähnt werden. Obwohl „Oz“ im selben Jahr vom 3,8-Millionen-Dollar-Budget von „Vom Winde verweht“ in den Schatten gestellt wurde, war es dennoch eine beeindruckende Summe für ein riskantes Familienfilmprojekt, das in einer düsteren Fantasiewelt spielte – ähnlich wie „The Electric State“ und seine düstere Vorlage von Stålenhag.
Mit dem wirbelnden Tornado, der die arme Dorothy (und auch Toto!) von der behaglichen Häuslichkeit der langweiligen Farm ihrer Familie in Kansas in das farbenfrohe Land Oz und all seine seltsamen und albtraumhaften Eigenheiten katapultiert, so treibt auch das chaotische Nachspiel der Roboter-Revolution in „The Electric State“ Millie Bobby Browns Figur Michelle aus ihrem toxischen Pflegeheim hinaus, um ihren verlorenen genialen Bruder zu suchen.
Jede Episode folgt im besten Joseph-Campbell-Sinne einer klassischen „Heldenreise“. Die hartnäckige Waise erweitert dabei ihre bunte Truppe aus menschlichen und künstlichen Außenseitern – ähnlich wie Dorothy auf ihrer fantastischen Odyssee, um den Weg nach Hause zu finden.
Promotionelle Kunst für Netflixs „The Electric State“. (Bildnachweis: Netflix)
Dorothys Gefolge, das sie durch Oz begleitet, besteht aus dem Blechmann, dem feigen Löwen und der Vogelscheuche. Ähnlich sammelt Michelle auf ihrer Reise den Kid-Cosmo-Roboter, Keats und den eigenwilligen Roboter Herman, der seine Größe ändern kann. Michelles dysfunktionale Familiensituation steht im direkten Kontrast zu Dorothy Gales traditionell liebevoller Familie. Dies ermöglicht eine düstere Spiegelwelt-Perspektive, wie sie von den beiden renommierten Superheldenfilmemachern präsentiert wird, die hier auf vertrautem Terrain agieren.
Für Spielzeugsammler erinnert ein weiterer Vergleich an die verstörende Kollektion der „Twisted Land of Oz“-Figuren, die vom Mitbegründer von Image Comics und Comic-Legende Todd McFarlane produziert wurden. Diese Figuren zeigen bizarre Versionen der „Oz“-Charaktere, die in vielerlei Hinsicht eher den Originalillustrationen von John R. Neill und W.W. Denslow in Baums 14 „Oz“-Veröffentlichungen ähneln. Diese monströsen Spielzeuge weisen eine unheimliche Verwandtschaft mit den mutierten Maschinen auf, die in „The Electric State“ entdeckt werden.
Sowohl „The Electric State“ als auch „Der Zauberer von Oz“ greifen die Themen Familie, Heimat, Toleranz, Identität und die Verbundenheit der Menschen auf, mit denen wir unser Leben teilen – von der Wiege bis zum Grab.
Promotionelle Kunst für Netflixs „The Electric State“. (Bildnachweis: Netflix)
Chris Pratts Ex-Soldier und Schmuggler Keats, der mit seinem blonden Haarschopf und dem buschigen Schnurrbart stark an einen zotteligen Feigen Löwen erinnert, findet seine Ehre wieder, indem er widerwillig der Mission beitritt, um Michelle und Cosmo mit seinem treuen Utility-Roboter zu begleiten. Michelle hat ihren persönlichen „Blechmann“, einen Cartoon-Roboter, der von ihrem verschollenen Bruder ferngesteuert wird, der irgendwo im pazifischen Nordwesten festgehalten wird. Dieser Roboter fungiert auch als eine Art Toto, ein unschuldiger Wegweiser in die verwüstete Landschaft.
„Der Electric State“ tauscht den sauberen gelben Ziegelsteinweg aus „Der Zauberer von Oz“ gegen eine düstere, dystopische Reise durch Amerika aus, die in eine abgeschottete Sperrzone führt – ein Ort für vertriebene Maschinen, die wie eine „klirrende, klappernde, rasselnde Ansammlung von finsterem Schrott“ wirken. Anstelle von wütenden Apfelbäumen, die Früchte werfen, sehen wir hier aufständische Roboter, die Grillgeräte und Küchenutensilien auf unsere Helden schleudern.
Stanley Tuccis selbstverliebter Charakter Ethan Skate fungiert als bösartiger Ersatz für den betrügerischen, aber gutartigen Zauberer aus „Oz“. Er spielt Gott und hält seine Neurocast-Probanden in einem ewigen Zombiezustand gefangen, während sie in Sentres weltweit etabliertes virtuelles Netzwerk eingebunden sind. Sogar die drohnenartigen Kämpfer im Höhepunkt der Schlacht erinnern an die bösartigen geflügelten Affen, die von der steinernen Burg der Hexe ausgesandt wurden.
Promotionelle Kunst für Netflixs „The Electric State“. (Bildnachweis: Netflix)
Und schließlich ist es vielleicht kein Zufall, dass beide Filme ihren dramatischen Höhepunkt in der Smaragdstadt haben. Dort wird Michelle schließlich mit ihrem entführten und verkabelten Bruder Christopher im Hauptquartier von Sentre in Seattle wiedervereint. Diese Metropole trägt übrigens denselben Beinamen – die Smaragdstadt – aufgrund ihrer üppigen, regengetränkten Vegetation.
Michelle und Dorothy haben auf ihrer Reise der Selbstfindung durchaus bemerkenswerte Gemeinsamkeiten, wenn man sie aus einer gewissen Distanz betrachtet. Zwar ist es keine direkte Spiegelung von „Der Zauberer von Oz“, doch gibt es genug Anklänge und Schatten dieses bahnbrechenden Meisterwerks aus dem Jahr 1939, die eine anregende Diskussion ermöglichen. Diese kann dazu beitragen, „The Electric State“ in einem weitaus konstruktiveren Licht zu interpretieren. Und das ist ein erfrischender Ansatz, den jeder ohne Bedenken aufdecken kann.
Die Russo Brothers präsentieren „The Electric State“ exklusiv auf Netflix.